In unserem Artikel über die Sozialisation von Welpen haben wir das Thema schon angerissen, heute gehen wir noch einmal genauer darauf ein: Die Beißhemmung bei Welpen – spätestens dann, wenn sich die nadelspitzen Welpenzähnchen in die Hände bohren, ist klar, warum das wichtig ist: Der kleine Hund soll lernen, dass der Einsatz der Zähne nicht erwünscht ist.
Da Welpen alles mit ihrem Maul erkunden, ist das für sie oft gar nicht so leicht zu erlernen. Hier klären wir, was die Beißhemmung eigentlich ist und was sie für uns Hundehalter im Alltag bedeutet.
Beißhemmung: Definition des Begriffs in der Verhaltensforschung
Beim Welpen ist uns eigentlich klar, was mit „Beißhemmung“ gemeint ist. Der kleine Hund soll lernen, dass er nicht zu fest in menschliche Haut beißen darf. Oder dass er das gar nicht darf? Hier fangen die Fragen schon an, die wir nachher ausführlich klären.
Doch wie definieren Verhaltensforscher den Begriff Beißhemmung eigentlich? Hier hat er eine ganz andere Bedeutung. Denn ursprünglich war damit bei Hunden und hundeartigen Raubtieren ein anderer Mechanismus gemeint. Man versteht darunter, dass sich die Tiere bei Auseinandersetzungen nicht massiv gegenseitig verletzen, als nur „gehemmt“ zubeißen.
Für uns Hundehalter im Alltag hat die Beißhemmung aber vor allem beim Welpen eine Bedeutung, worauf wir jetzt genauer eingehen.
Wichtig für Hundehalter: Beißhemmung bei Welpen
Menschen sind keine Hunde. Logisch, oder? Nicht jedoch für den Welpen. Er kennt das wilde Spiel mit seinen Geschwistern. Und die sind weit weniger zimperlich als wir Menschen.
Das dichte Fell der Hunde macht sie unempfindlicher. Zudem haben Hunde eine festere Haut, die dicker und robuster ist, als die des Menschen. Tatsächlich sind also Menschen viel empfindlicher gegen die spitzigen Welpenzähnchen.
Ein Welpe muss erst lernen, dass man mit Menschen und Hunden unterschiedlich umgeht und dass nicht alles, was Spaß macht, auch beim Gegenüber gut ankommt. Einige haben das bereits beim Züchter schon verinnerlicht. Andere können aber sehr schmerzhaft zubeißen und brauchen viel länger für das Training. Das kann alles ganz normal sein, je nach Rasse und je nach individuellem Charakter.
Warum beißen Welpen so viel?
Zerren, Beißen, Kauen und Spielen sind typisch bei Welpen. Diese Verhaltensweisen gehören generell zu allen jungen Raubtieren und sind sehr wichtig. Damit üben die Tiere Verhaltensweisen, die sie später brauchen, um zu jagen und sich gegen andere Tiere zu behaupten. Sie lernen aber auch, ihre Kräfte einzuschätzen, richtig zu dosieren und ihre Zähne als geschickte Werkzeuge einzusetzen.
Welpen erkunden ihre Umgebung mit dem Maul aus mehreren Gründen:
Tastsinn und Entdeckung: Welpen, ähnlich wie menschliche Babys, erleben ihre Welt intensiv durch ihre Sinne. Ihr Tastsinn ist besonders ausgeprägt im Bereich des Mauls. Das Aufnehmen von Objekten mit dem Maul hilft ihnen, die Form, Textur, Festigkeit und viele andere Eigenschaften eines Objekts zu verstehen.
Zahnen: Ähnlich wie menschliche Kinder durchlaufen auch Welpen eine Zahnungs-Phase, in der ihre Milchzähne durchbrechen (im Alter von 3 bis 8 Wochen), die dann später im Zahnwechsel (im Alter von ca. 4 bis 7 Monaten) durch permanente Zähne ersetzt werden. In beiden Phasen kauen Welpen vermehrt, da es den Zahnungsschmerz lindert und den Zähnchen beim Durchbrechen hilft.
Spiel und Lernen: Das Erforschen mit dem Maul ist auch ein Teil des Spielverhaltens. Welpen lernen durch Spielen wichtige soziale und lebenserhaltende Fähigkeiten. Das Greifen und Ziehen an Objekten mit dem Maul ist Teil ihrer natürlichen Neugier und ihres Entdeckungsdrangs.
Soziale Interaktion: Welpen interagieren auch mit anderen Hunden und Menschen durch sanftes Beißen und Betasten mit dem Maul. Das ist ein Teil ihrer sozialen Entwicklung und hilft ihnen, die Grenzen der Interaktion sowie die Hierarchie innerhalb ihrer Gruppe zu verstehen.
Jagdinstinkt: Auch wenn es im Welpenalter meist spielerisch ist, ist das Verwenden des Mauls zum Greifen und Beißen Teil des natürlichen Jagdinstinkts, der in vielen Hunderassen vorhanden ist.
Es ist wichtig, dass Welpen während dieser Entwicklungsphase angemessenes Spielzeug und ausreichend Aufsicht erhalten, um sicherzustellen, dass sie lernen, was akzeptables Kauverhalten ist und was nicht. Das ist auch eine wichtige Zeit, um ihnen beizubringen, wie sie sanft mit Menschen umgehen können, um unerwünschtes Beißen zu vermeiden.
Dies nennt man dann die Beißhemmung.
Müssen Hunde auch untereinander eine Beißhemmung lernen?
Hunde müssen lernen, ihre Bisse zu dosieren. Auch ihre Geschwister und die Mutterhündin signalisieren, wenn ein Biss zu fest ausfällt. Die Geschwister oft eher durch Schmerzenslaute, erwachsene Hunde durch Knurren, Abschnappen oder noch deutlichere Korrekturen.
Oft müssen Welpen das aber erst generalisieren. Zieht bei dir ein 8 Wochen alter Welpe ein, der sich gegenüber den Hunden im Züchterhaushalt schon gut zurücknehmen konnte, muss er je nach Charakter vielleicht erst lernen, dass das auch für alle anderen Hunde gilt, die er jetzt kennenlernt.
Dabei darfst du gerne unterstützen! Dein Welpe lernt auch, wie man sich benimmt, wenn du ihn aus Situationen herausnimmst, in denen er zu stark aufdreht und beißt. Auch können einige Fremdhunde nicht gut Grenzen setzen, sondern sind von Welpen überfordert, oder können zu grob werden, wenn die kleine „Schnappschildkröte“ sie bedrängt. Hier solltest du unbedingt eingreifen.
Ist die Beißhemmung angeboren?
Spricht man von der Beißhemmung bei Welpen, ist damit keine angeborene Hemmung gemeint. Der Welpe muss erst erlernen, in welchem Maße er seine Zähne bei Menschen einsetzen darf. Angeboren ist aber die Fähigkeit, grundsätzlich gehemmt zu beißen und der Wunsch, seine Sozialpartner nicht zu verletzen. Darum gelingt das Training der Beißhemmung oft relativ schnell.
Was genau bewirkt die Beißhemmung bei Welpen?
Was möchte man nun eigentlich erreichen, wenn man die Beißhemmung bei einem Welpen trainiert. Möchtest du, dass dein Welpe generell erfährt, dass Zähne auf Menschenhaut tabu sind? Oder reicht dir eigentlich schon aus, dass dein Welpe das Beißen dosiert und nicht zu grob wird?
Beides ist möglich und hat Vorteile und Nachteile. Hier die zwei Varianten im Vergleich.
Beißhemmung = gar nicht beißen?
Einige Trainer vertreten Meinung, dass Welpen grundsätzlich niemals erlaubt werden sollte, in Hände oder generell in menschliche Haut zu beißen. Das Training der Beißhemmung findet also so statt, dass jeder Kontakt der Zähne zur Haut verhindert oder gemaßregelt wird.
Das hat Vorteile: Der Welpe lernt so oft innerhalb kurzer Zeit, dass man mit Menschen nicht mit dem Maul spielt.
Das hat aber auch Nachteile: Das Spielen mit dem Maul ist auch eine Form des Sozialkontaktes. Zudem lernt der Welpe nicht, seine Bisse richtig zu dosieren.
Wann solltest du diese Variante wählen? Familien mit Kleinkindern oder einer Hunderasse, die von Haus aus eher grobmotorisch und groß ist, fahren mit dieser Variante oft besser. Welche Rassen das sind, erfährst du im Ratgeber zum Beißhemmungs-Training, den ich dir in der Einleitung und ganz am Schluss verlinkt habe.
Beißhemmung = gehemmtes Beißen?
Meiner Meinung nach kann es durchaus ok sein, wenn du deinem Welpen erlaubst, mit deinen Händen zu spielen. Allerdings nur, wenn dabei geübt und trainiert wird, wie viel Beißen in Ordnung ist und dass der Hund aufhören muss, wenn du das möchtest.
Das hat Vorteile: Gemeinsames welpengerechtes Spiel stärkt die Bindung zum Hund. Außerdem lernt der Welpe, seine Bisse ganz exakt zu dosieren und versteht, wo beim Menschen die Grenzen liegen.
Das hat aber auch Nachteile: Wer das Beißspiel mit den Händen erlaubt, läuft Gefahr, dass der Welpe doch immer wieder einmal über das Ziel hinausschießt und fester mit den nadelspitzen Zähnen zuzwickt, bis er es gelernt hat, was vor allem bei Kindern im Haushalt nicht so schön ist. Generell kann die Beißhemmung länger dauern.
Wann kannst du diese Variante wählen? Bei eher sanften Welpen, die sowieso nicht ganz so grob agieren, finde ich persönlich diese Variante besser. Auch wenn keine kleinen Kinder im Haushalt leben, sondern nur Erwachsene, die das Spiel mit dem Hund gut kontrollieren können, ist diese Variante ebenfalls gut machbar.
Wie lernen Welpen die Beißhemmung?
Du hast jetzt erfahren, was man unter der Beißhemmung versteht. Aber wie bringt man einem Welpen bei, dass er gar nicht oder nur sehr leicht zubeißen darf?
Lies dir dazu den Artikel zum Thema Beißhemmung trainieren durch. Dort findest du eine Anleitung zum Training und auch Tipps, was du tun kannst, wenn du einen der wilden Welpen hast, die sich beim Spielen oder Zuschnappen nur schwer bremsen lassen. Außerdem erfährst du, warum manche Rassen wie der Australian Shepherd oder einige Terrierrassen generell oft länger brauchen, bis die Beißhemmung gefestigt ist.