Kangal: Training und Erziehung

Aktualisiert am: 22.05.2023

Ein Kangal ist ein sehr spezieller Hund. Bei diesem stolzen Herdenschutzhund sind Training und Erziehung etwas anders geartet, als bei vielen gängigen Rassen. Selbstbewusstsein, gepaart mit Unabhängigkeit und Intelligenz bewirken, dass die Ausbildung eines Kangals sehr langwierig sein kann. Hier sind Konsequenz und Geduld gefragt. Vor allem aber gilt es, das einzigartige Wesen des Kangals auch in der Erziehung zu würdigen. Die Haltung eines Kangals in unserer engen, dicht besiedelten Umgebung ist mit Verantwortung verbunden. Man sollte nie versuchen, den Kangal in eine Form zu pressen, in die er nicht hineinpasst.

Schon beim Welpen die richtige Basis legen

Wer einen jungen Kangal aufnimmt, der sollte von Anfang an für eine gute Sozialisierung sorgen. Mehr dazu unter “Erziehung und Sozialisation von Welpen”. Beim Kangal spielt dabei vor allem das Kennenlernen verschiedener Hunde und Menschen eine Rolle.

Ebenso wichtig ist auch die Auswahl einen passenden Welpen. Viele Eigenschaften und Charakterzüge sind nicht nur anerzogen, sondern auch vererbt. Deshalb sollten sich zukünftige Kangalhalter die Mutter (und wenn möglich auch den Vater) der Welpen genau anschauen. Ist die Mutterhündin ängstlich, unverträglich oder herrscht zwischen Besitzer und Hündin kein Vertrauensverhältnis, ist die Chance groß, dass auch ihre Welpen das übernehmen.

Ansonsten ist die Erziehung eines jungen Kangals oft recht problemlos, sofern man sich an den weiter unten beschriebenen, sanften und konsequenten Umgang mit dem Hund hält. Allerdings verändern sich Kangals mit zunehmendem Lebensalter relativ stark. Mit Einsetzen der Pubertät treten dann oft Verhaltensweisen auf, die man vorher bei seinem Hund nicht kannte. Hier ist wichtig, weiterhin geduldig, liebevoll, konsequent und humorvoll an der Erziehung zu arbeiten.

Konsequenz, Geduld und Feingefühl

Kangals verhalten sich oft dominant und sehr selbstbewusst. Das macht Training und Erziehung schwer. Auf keinen Fall sollte man dem Kangal mit übertriebener Strenge und Grobheit begegnen. Bei zu viel Druck schaltet ein Kangal oft auf stur. Körperliche Strafen führen dazu, dass der Kangal das Vertrauen verliert. Das kann sogar im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten losgehen, denn ein Kangal lässt sich nichts gefallen. Fühlt er sich bedroht, ist eine defensive Aggression – auch dem Besitzer gegenüber – nicht ausgeschlossen.

Was jedoch funktioniert, ist eine klare, konsequente, auf Zuneigung und Vertrauen basierende Erziehung. Vertraut der Hund seinem Besitzer in jeder Lebenslage, macht er fast alles mit. Gehorsamkeitsübungen, Geduld und eine enge Bindung führen beim Kangal zum Erfolg.

Wenige Kommandos, die dafür perfekt sitzen sollten

Kangals sind nicht gerade bekannt dafür, dass sie voller Tatendrang jede Beschäftigung, unzählige Wiederholungen und jedes Training mitmachen. Im Gegenteil. Manchmal können sie im Training stur, gelangweilt oder desinteressiert wirken. Das liegt oft an zweierlei Dingen: Zum einen ist der Kangal einfach kein Hund, der für Hundesport, Tricks oder Apportieren geeignet ist (Ausnahmen bestätigen die Regel). Zum anderen wird dem Kangal schnell langweilig, wenn man Dinge zu oft hintereinander wiederholt. Deshalb sollte man beim Kangal die Erziehungszeit und das Interesse des Hundes für wenige, besonders wichtige Kommandos aufsparen. Diese sollten dafür jedoch hochwertig belohnt, mit Freude geübt und am besten täglich wiederholt werden.

Dabei kann natürlich jeder Hundehalter selbst entscheiden, was für seinen Hund und seine Lebenssituationen am wichtigsten ist. Erfahrungsgemäß sind es folgende Dinge, die ein Kangal unbedingt beherrschen sollte:

  • Gute Leinenführigkeit (mehr dazu weiter unten)
  • Ein gut sitzender Rückruf, auf den hin der Kangal sich draußen und im Garten zuverlässig heranrufen lässt.
  • Ein Aufmerksamkeitssignal, auf das hin der Hund seinen Besitzer anschaut. Das ist in sehr vielen Situationen hilfreich. Beispielsweise, wenn man die Aufmerksamkeit des Kangals von einem entgegenkommenden Hund umlenken möchte.

Leinenführigkeit beim Kangal trainieren

Kangals liegen gerne entspannt im Garten, bewachen ihr “Reich” oder beobachten von einer zentralen, gerne erhöht liegenden Stelle aus das Geschehen. So gelassen und entspannt ist ein Kangal aber nur, wenn er ausreichend ausgelastet und beschäftigt wird. Mehr dazu bei den geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kangal.

Wichtig für die Ausgeglichenheit, zum Sammeln neuer Eindrücke und für die körperliche Auslastung sind ausgedehnte Spaziergänge. Bei einem Hund, der andere Hunde oft nicht besonders gut findet, Jagdtrieb haben kann und gewichtsmäßig ein ganz schöner “Brocken” ist, muss die Leinenführigkeit besonders gut sein.

Tipps für eine gute Leinenführigkeit:

  • Von Anfang an kein Ziehen zulassen. Dazu kann man beispielsweise stehen bleiben, sobald Zug auf die Leine kommt.
  • Laufen an durchhängender Leine immer wieder positiv bestärken.
  • Vertrauen und Bindung aufbauen. Die Leine sollte keine Beschränkung, sondern eine Verbindung zwischen Hund und Halter darstellen. Deshalb sind grobe Leinenrucke oft kontraproduktiv.
  • Üben der verschiedensten Situationen: Das Passieren von Menschen, vorbeilaufenden Hunde und verschiedenste Umgebungen sollten zur Gewohnheit werden. Dazu gehört auch gezieltes Üben, wobei man den Schwierigkeitsgrad zunehmend steigert. Immer nur so weit, dass der Kangal die Leinenübung noch gut und entspannt meistern kann.
  • Gibt es bei Hundesichtung Probleme, lässt sich das oft gut in Hundeschulen oder Hundevereinen üben. Dort bieten Trainer oft die Möglichkeit, in kontrollierte Umgebung gezielt solche Hundebegegnungen zu üben.
  • Ein Halti oder Gentle Leader (oder ähnliche Produkte) helfen bei Problemverhalten dabei, den Kangal sicher zu führen. Diese Hilfen nutzt man zusätzlich zur gewohnten Leine. Sie werden am Kopf des Hundes befestigt, ähnlich wie das Halfter beim Pferd. So lässt sich der Blick des Kangals oder seine Bewegungsrichtung bei Bedarf umdirigieren, zum Beispiel, wenn er einen anderen Hund ins Auge gefasst hat und anfängt, diesen aggressiv zu fixieren.

Umgang mit Jagdtrieb beim Kangal

Hat man eigene Haustiere, sollten diese sehr vorsichtig mit dem Kangal zusammengeführt werden. Im Artikel über Wesen, Eigenschaften und Charakter des Kangals lässt sich nachlesen, dass die meisten Herdenschutzhunde auch einen gewissen Jagdtrieb mitbringen. Wächst ein junger Kangal hingegen gemeinsam mit anderen Tieren auf oder wird früh auf diese Tierart geprägt, betrachtet er diese als “seine Herde”, erkennt sie voll und ganz als Familienmitglieder an, würde sie dann aber gegebenenfalls auch bewachen. In dem Fall ist also Vorsicht geboten, wenn Fremde oder andere Hunde sich diesen Tieren nähern.

Dagegen sind erwachsene Kangals oft nur schwer mit Tieren in jagdbarer Größe zu vergesellschaften. Auch im Freien wird man wenige Kangals finden, die bei Wildsichtung oder wegrennenden Katzen völlig gelassen bleiben. Hier hilft dann nur eine konsequente Erziehung. Umorientierung zum Besitzer, ein Abbruchsignal (“Nein”) und ein umsichtiges und vorausschauendes Handling an der Leine sorgen dafür, dass der Kangal auch in solchen Situationen gut führbar ist.

Ist beim Kangal Freilauf möglich?

Der Kangal ist ein unabhängiger, selbstständig entscheidender Hund. Auch bei sehr guter Bindung zum Besitzer gehört er nicht zu den Hunden, die immer aufs Wort folgen. Das ist aber eigentlich die Grundvoraussetzung für Freilauf. Zudem haben viele Kangals auch den angesprochenen Jagdtrieb und / oder reagieren aggressiv auf fremde Hunde. Manche Kangals reagieren auch bewachend, wenn Menschen sehr plötzlich auftauchen (beispielsweise aus einem versteckten Seitenweg kommen). Von daher gehören die ableinbaren Kangals eher zu den Ausnahmen. Fest rechnen sollte man damit auf keinen Fall, wenn man sich überlegt, einem Kangal ein Zuhause zu geben.

Was tun, wenn der Kangal andere Hunde nicht mag?

Kangals verstehen sich ab dem Erwachsenenalter oft nicht mehr gut mit anderen Hunden. Mehr dazu unter Charakter, Wesen und Eigenschaften des Kangals. Daran lässt sich mit Erziehung und Training oft nichts ändern. Manch ein Kangal ist und bleibt ein Hund, der keine Lust auf fremde Hunde hat. Manchmal umfasst das nur gleichgeschlechtliche Hunde, manchmal alle Hunde, viele Kangals entscheiden auch nach Sympathie.

Was man mit Erziehung und Training jedoch sehr gut beeinflussen kann, ist die Reaktion des Kangals auf andere Hunde. Die Basis bilden eine gute Leinenführigkeit (siehe oben), eine konsequente Grunderziehung und viel Übung. Auch das übermäßige Verbellen fremder Hunde am Zaun lässt sich oft gut durch Erziehung eingrenzen. Dass der Kangal vorbeilaufende Hunde aber völlig ignoriert, wird man vielleicht nie erreichen. Fast jeder Kangal meldet fremde Hunde, die sein Revier passieren, zumindest durch kurzes Anschlagen. Und als guter Wachhund soll er das ja eigentlich auch tun.

 

Bildquellen

Illustrationen: Stefan Große Halbuer

Anatolian Shepherd Dog or Coban Kopegi, Pup © Depositphotos.com/slowmotiongli

Turkish breed shepherd dog Kangal as livestock guarding dog © Depositphotos.com/turgayada.hotmail.com