Der Australian Shepherd gehört zu den besonders beliebten und bekannten Hunderassen. Allerdings ranken sich auch viele Gerüchte um den Aussie. Einige halten ihn für besonders leicht zu erziehen, weil er so intelligent ist. Andere wiederum haben gehört, dass es vor allem für Hundeanfänger fast unmöglich sei, einen Aussie richtig auszulasten und zu erziehen. Die Wahrheit liegt sicher irgendwo in der Mitte. Der Australian Shepherd ist kein Hund für Jedermann. Einfache Spaziergänge ohne weitere Beschäftigung reichen ihm nicht aus. Kennt und mag man allerdings die etwas spezielle und oft auch herausfordernde Art dieser Hütehunde, sind sie verlässliche Begleiter, die für fast alle Beschäftigungsmöglichkeiten zu haben sind.
Der Australian Shepherd: Kein Hund für Couch-Potatoes und Erziehungsmuffel
Aussies brauchen Beschäftigung. Für die körperliche Auslastung reichen normale Spaziergänge aus, solange diese nicht zu kurz und mit möglichst viel Freilauf (bzw. Laufe an einer langen Leine oder Schleppleine) verbunden sind. Zusätzlich ist aber in jedem Fall Kopfarbeit nötig, die den Australian Shepherd fordert und geistig auslastet. Manche Beschäftigungsmöglichkeiten und Hundesportarten sind sowohl körperlich als auch geistig anspruchsvoll und sind dadurch ideal für den Aussie geeignet.
Mehr dazu im Artikel über die richtige Beschäftigung und Auslastung für den Australian Shepherd. Hier finden Leser auch Ideen, wie man einen Aussie ohne Hundesport gut beschäftigen kann, denn es muss nicht immer der Hundesport im Verein oder einer Hundeschule sein. Im Gegenteil, für einige (nicht alle!) Australian Shepherds ist die energiegeladene Atmosphäre von Wettkampfsport und die Anwesenheit anderer Hunde sogar kontraproduktiv, weil die Hunde dann zu stark hochfahren.
Eines ist jedoch klar: Ein Aussie ist kein dekorativer, hübsch aussehender Hund, dem es reicht, einfach im Alltag mitzulaufen. Im Gegenteil. Der Aussie kann ruppig sein, kann auf Bewegungsreize (auch rennende Kinder, Jogger) stark reagieren, kann Jagdtrieb haben und kann mit fremden Hunden und Menschen unter Umständen nicht viel anfangen. Umso wichtiger sind die richtige Erziehung und ein an die Rasse angepasstes Training.
Wach- und Schutztrieb berücksichtigen
Wer einen Australian Shepherd halten möchte, der sollte an die Geschichte und Entstehung der Rasse denken. Als Herdengebrauchshund sollte der Aussie nicht nur Schafe hüten. Auch das Treiben von Rindern gehörte zu seinen Aufgaben. Dazu war körperlicher Einsatz, Mut und zur Not auch ein Zuschnappen nötig. Als Wachhund meldete der Aussie Unbefugte und beschützte seine Besitzer und den Hof. Bei einigen Australian Shepherds äußert sich dieses Erbe noch sehr deutlich. Wer mit territorialem Verhalten, einer skeptischen Reaktion auf Besucher oder dem Verbellen von „unheimlichen“ Dingen umgehen kann und dies in die richtigen Bahnen lenken kann, der ist auf jeden Fall bereit für einen Australian Shepherd.
Hier gilt aber auch generell das, was für den Australian Shepherd immer gilt: Wer einen leicht erziehbaren und leicht führbaren Begleiter im Alltag sucht, der jeden mag, niemanden anbellt und einfach unauffällig und freundlich durchs Leben geht, der ist beim Aussie falsch.
Ist ein Australian Shepherd gefährlich?
Ob ein Australian Shepherd gefährlich ist, hängt maßgeblich von seiner Erziehung und Haltung ab, nicht von seiner Rasse allein. Kein Hund ist von Natur aus gefährlich – diese Eigenschaft entsteht durch die Kombination von genetischen Anlagen, Erziehung, und Umweltfaktoren. Dennoch bringt der Australian Shepherd einige rassetypische Merkmale mit, die unter bestimmten Umständen problematisch werden können.
Australian Shepherds gehören zu den Hütehunden, was bedeutet, dass sie einen ausgeprägten Hütetrieb besitzen. Wie oben schon erwähnt, ist dieses Verhalten eng mit dem Jagdverhalten verwandt und kann in bestimmten Situationen zu Schwierigkeiten führen, etwa wenn der Hund versucht, Menschen, Tiere oder sogar Fahrzeuge zu „hüten“. Zusätzlich haben viele Aussies einen Wach- und Schutztrieb, der, wenn er nicht richtig gelenkt wird, aggressives Verhalten oder Unsicherheiten fördern kann.
Besonders wichtig ist deshalb eine konsequente Erziehung, die das natürliche Verhalten des Hundes in kontrollierte Bahnen lenkt. Der Hütetrieb sollte nicht unbeabsichtigt gefördert werden, sondern gezielt unterbunden oder in sinnvolle Aufgaben wie Hundesport oder gezielte Arbeit gelenkt werden. Wer sich dieser Herausforderung stellt, wird mit einem Australian Shepherd einen hochintelligenten, lernfreudigen und treuen Begleiter haben. Diese Hunde sind äußerst anpassungsfähig und zuverlässig, wenn sie richtig gefördert werden.
Allerdings erfordert ein Australian Shepherd mehr Engagement und Fachwissen als manche andere Hunderassen. Während ein Labrador oder Golden Retriever oft als „Einsteigerhund“ gilt, benötigt der Aussie eine erfahrene Hand, die seine Energie und seinen Charakter versteht. Wer dazu bereit ist, wird mit einem außergewöhnlichen Hund belohnt, der sowohl im Alltag als auch in sportlichen oder arbeitenden Rollen überzeugt.
Intelligent = leicht erziehbar?
Auf der einen Seite macht das Training mit einem Aussie genau so viel Freude, wie das Lernen mit einem begeisterten und leicht lernenden Kind. Mit Feuereifer dabei, wenige Wiederholungen reichen – und schon klappt es. Allerdings muss man dafür genau wissen, was man will. Und wie man dorthin gelangt. Anfänger sollten sich deshalb bei Bedarf von einer Hundeschule oder in einem Hundeverein unterstützen lassen. Denn so schnell wie der Australian Shepherd lernt, so schnell verknüpft er auch unwichtige oder ungewollte Dinge miteinander.
Intelligenz bedeutet nämlich auch, dass der Aussie blitzschnell bemerkt, bei wem er mit rüpeligem Verhalten durchkommt oder wen er mit einem schmachtenden Blick bestechen kann. Es kann auch bedeuten, dass der Australian Shepherd ganz alleine auf Dinge kommt, zum Beispiel wie man Türen öffnet.
Ist der Australian Shepherd als Ersthund für Anfänger geeignet?
In manchen Ratgebern oder Foren wird vom Australian Shepherd als Anfängerhund stark abgeraten. Das ist nachvollziehbar. Es gibt Rassen, die verzeihen Fehler weniger als andere. Und neigen bei falscher Erziehung mehr zu Problemverhalten. Beides trifft auf den Australian Shepherd zu.
Fragt man also: Eignet sich ein Australian Shepherd für Hundeanfänger? Dann wäre die generelle Antwort wohl ein „Nein“. Denn der Aussie eignet sich nicht grundsätzlich für jeden Anfänger. Allerdings gibt es auch Anfänger, die sich über ihren Ersthund genau informieren. Die sich beim Züchter, auf Portalen wie diesem hier oder in Büchern viel Wissen aneignen. Die sich vorab mit Aussie-Haltern, -züchtern und deren Hunden treffen. Und für solche ambitionierten Ersthunde-Halter ist ein Australian Shepherd durchaus denkbar und möglicherweise sogar die perfekte Wahl. Am Ende des Artikels findet sich eine Checkliste. Treffen die Punkte auf dieser Checkliste zu, dann kann ein Aussie auch als Ersthund für Anfänger geeignet sein.
Ist der Australian Shepherd als Familienhund geeignet?
Auch wenn man mit einem Hund Hundesport macht und ihn viel beschäftigt: Den Großteil der Zeit ist man nicht auf einem Hundeplatz, sondern mit seinem Hund im Alltag unterwegs. Vor allem Familien mit Kindern brauchen einen Hund, der sich in die familiären Abläufe problemlos integriert und der freundlich und gelassen mit den Kindern umgeht. Da scheint ein reizoffener Aussie, der stark auf Bewegungsreize reagiert, auf den ersten Blick eine schlechte Wahl. Doch ein Australian Shepherd kann durchaus als Familienhund geeignet sein – wenn bestimmte Voraussetzungen zutreffen.
Management und Erziehung sind nötig
Größere Kinder sind für Australian Shepherds in der Regel kein Problem. Im Gegenteil: Da der Aussie gerne jede Art der Beschäftigung mitmacht, können sich die Kinder beim Hundesport oder Training einbringen. So wächst oft eine besonders enge Bindung. Anders sieht es bei Kleinkindern aus. Die Rasse hat eine niedrige Reizschwelle. Kleinkinder hingegen sind oft grobmotorisch und können die Hundesprache noch nicht gut lesen. Dadurch kann es zu unangenehmen Situationen kommen. Ein Beispiel: Ein Kleinkind rennt am Hund vorbei, stolpert und greift dabei dem Hund ins Fell. Durch die instinktive und schnelle Reaktion des Aussies kann es hier durchaus passieren, dass der Hund ein Abwehrschnappen zeigt. Auch wenn das kein zielgerichtetes Beißen ist, kann ein Kleinkind, das sein Gesicht auf Höhe des Hundemauls hat, dadurch verletzt werden. Es gibt andere Rassen, die weniger zu solchem Verhalten neigen (zum Beispiel die Retriever und auch Bichon-Rassen wie Havaneser und Malteser). Ganz abtrainieren und dauerhaft ausschließen lässt sich ein solches instinktives, reflexhaftes Verhalten nicht bei jedem Aussie. Hier ist deshalb vorausschauendes Management gefragt.
Wer sich allerdings in den Australian Shepherd so sehr verliebt hat, dass er Training, Management und Einschränkungen nicht scheut, kann auch als junge Familie mit kleinen Kindern einem Aussie gerecht werden. Mehr noch als bei anderen Rassen sollte hier jedoch gelten: Kleine Kinder nie mit dem Hund alleine lassen. Immer wenn der Hund und kleine Kinder miteinander interagieren, sollte man ein wachsames Auge auf beide haben.
Familien sollten auch bedenken, dass manche Aussies bei Fremden skeptisch reagieren. Besucher werden unter Umständen verbellt. Auf fremde Kinder reagiert der Aussie vielleicht weniger geduldig und gelassen, als auf die eigenen, vor allem wenn sie wild toben und rennen.
Aussie und Kinder: Beide müssen lernen, sich zurückzunehmen
Oft klappt es aber auch sehr gut, wenn ein Australian Shepherd als Familienhund mit Kindern zusammen lebt. Und zwar bei denjenigen Menschen, die klare Regeln aufstellen – sowohl für den Hund als auch für die Kinder. Wichtig ist ein ruhiger Rückzugsort für den Hund, an dem er nie gestört wird und sich entspannen kann. Unter Umständen kann es auch hilfreich sein, ein Kindergitter oder einen Laufstall zu nutzen, um einen Aussie (vor allem einen Welpen oder Junghund) aus der Schusslinie zu nehmen, wenn die Kinder wild toben oder der Hund zu aufgedreht ist. Sind dem Australian Shepherd Besucher und spielende Kinder zu viel, äußert sich das oft in Hüteverhalten wie Hinterherrenne, Weg abschneiden, Umkreisen, Bellen, unter Umständen auch Hochspringen. Dieses Verhalten sollt man sofort unterbinden und den Hund wenn nötig wegschicken (zum Beispiel in sein Körbchen oder eine Box schicken). Tipps zur Erkennung von Hüteverhalten gibt es im Artikel zu Training und Erziehung des Australian Shepherds.
Wenn klare Regeln gelten, der Aussie umsichtig erzogen wird und die Kinder wissen, wie sie mit dem Hund umgehen müssen, dann kann der Australian Shepherd aber auch ein toller Familienhund sein: Er ist für „seine“ Menschen ein loyaler Begleiter, ist immer an ihrer Seite, liebt Körperkontakt und ist gerade durch seinen speziellen Charakter ein vollwertiges und innig geliebtes Familienmitglied.
Checkliste: Für wen eignet sich ein Australian Shepherd?
- Man hat Spaß an Training und Beschäftigung mit seinem Hund.
- Man hat Freude an Bewegung und ausgedehnten Spaziergängen in der Natur.
- Man sorgt dafür, dass der Hund viel Ruhe hat und Gelassenheit lernt.
- Man ist eine klar kommunizierende und in sich ruhende Person, denn Aussies lassen sich von Stress, Hektik und Unsicherheit leicht anstecken.
- Beim Welpenkauf ist man bereit dazu, verschiedene Züchter und deren Australian Shepherds zu vergleichen. Nur so kann man den genau passenden Aussie für sich zu finden, mit dem man im Alltag glücklich wird. Denn bei dieser Rasse sind die individuellen Unterschiede besonders groß.
- Man hat sich mit den Eigenschaften von Hütehunden auseinandergesetzt und ist sich im Klaren darüber, wie diese sich im Alltag äußern können.
- Man kann damit leben und ist bereit, entsprechend Trainingszeit zu investieren, falls der Aussie Jagdtrieb hat.
- Man ist bereit, den Hund entsprechend zu sichern, zu führen und zu trainieren, falls der Australian Shepherd Wach- und / oder Schutztrieb zeigt.
- Man kann damit leben, einen Hund zu haben, den man nicht immer und überall mitnehmen kann. Manche Aussies sind selbst bei optimaler Erziehung und Sozialisation mit Trubel und Gedränge überfordert.
- Hat man Kinder, ist man bereit dazu und in der Lage, sowohl für den Hund als auch für die Kinder klare Regeln und Grenzen festzulegen.
- Man kann damit leben, dass der Aussie (spätestens wenn er erwachsen ist) möglicherweise keine große Lust auf andere Hunde hat und kein Hund ist, den man auf Hundewiesen und in Freilaufgebieten mit allen anderen Hunden spielen lassen kann.
- Man hat sich in die Rasse (und nicht nur in deren Optik!) unsterblich verliebt und ist bereit, gemeinsam mit dem Hund zu wachsen und zu lernen.
Bildquellen
Illustrationen: Stefan Große Halbuer
Australian Shepherd © Depositphotos.com/ivonnewierink
Young boy gives dog a hug and is happy © Depositphotos.com/ms-grafixx
Young merle Australian shepherd look up © Depositphotos.com/Ksuksann