Der Kangal ist ohne Frage ein einzigartiger und beeindruckender Hund. Seine Wurzeln als anatolischer Hirtenhund reichen Tausende von Jahren zurück. Auch heute noch hat der Kangal sein ursprüngliches Wesen bewahrt. Er ist ein unbestechlicher Wachhund und ein exzellenter Herdenschutzhund. In der Türkei wird er zudem als Militär- und Diensthund eingesetzt. Kennt man diese Geschichte, wird schnell klar, dass der Kangal kein einfacher Familienhund ist, der in einem städtischen Umfeld oder in einer Wohnung ohne Garten glücklich werden kann. Hier erfahren Kangal-Liebhaber die Hintergründe der Rasseentstehung, die das Verhalten und die Vorlieben des Kangals erklären.
Entstehung der Rasse
Auch wenn der Kangal erst spät als Rasse anerkannt wurde (mehr dazu unten), gibt es den Kangal und ähnliche anatolische Hirtenhunde schon sehr lange. Die Wurzeln reichen Hunderte, möglicherweise sogar Tausende von Jahren zurück. Damals zogen Nomaden durch Anatolien. Begleitet wurden sie von kräftigen Herdenschutzhunden, die die Nutztiere vor Wildtieren schützten.
Hunde, die dem heutigen Kangal sehr ähnlichsahen, wurden bereits im 12. Jahrhundert in Zentral- und Ost-Anatolien beschrieben. In Zentralanatolien liegt die Stadt Kangal. Es wird angenommen, dass die in der Region von Kangal genutzten Hunde mit der dunklen Gesichtsmaske als besonders gute und begehrte Herdenschutzhunde galten. Deshalb leitet sich der Name der Rasse bis heute von dieser Stadt ab. Allerdings ist Kangal nicht der ursprüngliche Name der Rasse. Wegen ihrer schwarzen Maske wurden die Hunde in der Türkei früher Karabaş (Karabash, Schwarzkopf) genannt.
Den Hirten wurden ihre Hunde und deren Reinrassigkeit stetig wichtiger. Von Reisenden wurde schon seit dem 16. Jahrhundert immer wieder beschrieben, dass manche Hirten sämtliche Ersparnisse ausgaben, um ihre Hündinnen von besonders begehrten Deckrüden decken zu lassen. Für einen passenden Deckpartner wurden zudem oft riesige Strecken zurückgelegt. Noch heute ist der Kangal der ganze Stolz vieler Kangalbesitzer und genießt in der Türkei als Herdenschutzhund und Hofhund einen gewissen Kultstatus. Das Abbild des Kangals ziert eine türkische Münze und zwei türkische Briefmarken.
Seit den 1950er-Jahren wurden immer mehr Kangals in andere Länder eingeführt. Nach und nach wurde der Kangal deshalb in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland immer häufiger. Ab den 1970er Jahren entstanden immer mehr Zuchtstätten für den Kangal weltweit.
Ursprüngliche Verwendung und Aufgaben
Ursprünglich war der Kangal ein typischer Herdenschutzhund. Angriffe durch Wildtiere waren bei Hirten und Nomaden gefürchtet. Zur Abwehr von Beutegreifern, Wölfen und Bären waren große, kräftige, schnelle und mutige Hunde gefragt. Auch gegen Viehdiebe wurde die Herde zuverlässig bewacht. Bei Bedarf stellten und vertrieben die Hunde also auch Menschen. Wenn ein Mensch daraufhin nicht zurückwich, war durchaus auch erwünscht, dass die Hunde angriffen. Sein dichtes Fell schützte den Kangal bei seinen Aufgaben vor der Witterung. Denn schließlich waren die Hunde den Großteil des Jahres rund um die Uhr bei der Herde im Freien. Nicht selten waren Kangals über Tage oder Wochen alleine bei der Herde, ohne menschliche Begleiter. Die Hirtenhunde mussten also völlig selbstständig agieren – eine Eigenschaft, die in unserer aktuellen Gesellschaft hierzulande meist wenig gefragt ist.
Seit 1975 gehört der Kangal in der Türkei zudem zu den Rassen, die offiziell als Diensthund bei Militär und Polizei eingesetzt werden. Privat wird der Kangal in der Türkei häufig auch als Wachhund und Hofhund eingesetzt.
Bis heute kein klassischer Familienhund
Bis heute hat sich der Kangal im Vergleich zu den oben beschriebenen, ursprünglichen anatolischen Hirtenhunden kaum verändert. Das legt nahe, dass ein solcher Hund nur schlecht in beengter, städtischer Umgebung zurechtkommt, wo er seine natürlichen Anlagen kaum ausleben kann und darf. Denn Eigenschaften, die in den einsamen Bergregionen Anatoliens erwünscht und wichtig sind, werden hierzulande schnell problematisch.
Innerhalb seiner “Herde”, zu der auch der Besitzer und dessen Familie gehören, ist der Kangal sozial, gelassen, geduldig und liebevoll. Gegenüber Fremden ist er jedoch misstrauisch. Zudem besitzt er unter Umständen territorial motivierte Aggression und Schutzverhalten, was für unerfahrene Hundehalter eine sehr brisante Mischung sein kann. Deshalb zählt der Kangal in manchen Regionen Deutschlands und der Schweiz zu den Listenhunden, deren Haltung speziellen Bedingungen unterworfen ist. Mehr dazu kann man bei “Wesen, Eigenschaften und Charakter des Kangals” und “Für wen eignet sich der Kangal?” nachlesen.
Anerkennung der Rasse “Kangal”
Der Kangal wird in der Türkei schon seit Jahrhunderten nahezu unverändert von Hirten gezüchtet. Diese legen großen Wert auf echte Kangals und wählen passende Zuchtpartner sehr sorgfältig aus. In der Türkei existierten jedoch für lange Zeit keine übergeordneten Institutionen, die eine kontrollierte Zucht mit Zuchtbüchern und Abstammungsnachweisen organisierten. Inzwischen ist der türkische KIF (Köpek Irkları ve Köpek Bilimleri Federasyonu) der verantwortliche Zuchtverband.
Deshalb dauerte es lange, bis die Rasse international anerkannt wurde. Beim FCI wurde 1989 der Standard für den “anatolischen Hirtenhund” eingetragen. Zu den anatolischen Hirtenhunden gehören jedoch neben dem Kangal noch weitere Schläge. Deshalb wurde der Standard oft kritisiert. Kein echter Kenner und Liebhaber anatolischer Hirtenhunde würde die verschiedenen Hirtenhundschläge miteinander kreuzen. Im Herkunftsland Türkei werden sie als eigenständige Rassen geschätzt und gepflegt. Doch erst am 25.06.2018 wurde der Standard geändert und bezieht sich nun ausschließlich auf den Kangal (türkisch: Kangal Çoban Köpeği, englisch: Kangal Shepherd Dog).2 Nun wird im Standard erstmals auch die schwarze Maske, typisches Merkmal des Kangals im Gegensatz zu den anderen anatolischen Hirtenhunden, erwähnt.
Allerdings sind im aktuellen Standard nun die restlichen Schläge der anatolischen Hirtenhunde nicht mehr enthalten.3 Zusätzlich strebt die Türkei deshalb an, dass noch weitere Schläge anatolischer Hirtenhunde, allen voran der weiße Akbaş (oder Akbash), ebenfalls anerkannt werden. Der amerikanische Zuchtverband UKC (United Kennel Club) erkennt schon seit 1998 den Kangal Dog und Akbash Dog als eigene Rassen an.
Wie unterscheidet sich der aktuell in Deutschland gezüchtete Kangal vom ursprünglichen, türkischen Kangal?
Unterschiede der Rassen: Ist „Kangal“ und „Anatolischer Hirtenhund“ das gleiche?
Der Kangal und der Anatolische Hirtenhund sind nicht das Gleiche, obwohl sie oft verwechselt werden. Der Kangal ist eine eigenständige Rasse, die aus der Region Sivas in der Türkei stammt und dort seit Jahrhunderten als Herdenschutzhund gezüchtet wird. Diese Hunde zeichnen sich durch ein einheitliches Erscheinungsbild – meist sandfarbenes Fell mit schwarzer Maske – und einen starken, aber besonnenen Schutzinstinkt aus. In der Türkei wird der Kangal als Nationalhund betrachtet, und große Anstrengungen werden unternommen, die Reinheit der Linie zu bewahren.
Der Begriff Anatolischer Hirtenhund hingegen wurde in westlichen Ländern eingeführt und fasst verschiedene türkische Herdenschutzhund-Typen – darunter Kangal, Akbaş und Karabaş – zu einer Kategorie zusammen. Diese Hunde variieren stärker in Aussehen und Charakter, da sie aus unterschiedlichen Regionen Anatoliens stammen. Während der Kangal in der Türkei als Symbol für Stärke und Loyalität gilt, ist der Begriff „Anatolischer Hirtenhund“ kulturell unspezifisch und vor allem in der westlichen Zucht verbreitet, was in der Türkei oft kritisch gesehen wird.
Quellen
- Orhan Yilmaz. Turkish Kangal (Karabash) Shepherd Dog. Impress Printing Comp. Ankara (Turkey), 2007. [Link zum PDF]
- Stellungnahme von KIF und FCI zur Änderung des Rassestandards, 30.07.2018 [Link zum PDF]
- FCI-Standard Kangal-Hirtenhund. Rassestandard Nr. 331.
- Cafer Tepeli, Orhan Çetin, Şeref İnal, Kemal Kirikçi, Alper Yılmaz: Growth Characteristics of Kangal and Akbafl Turkish Shepherd Dogs. Turkish Journal of Veterinary and Animal Sciences. Band 27, 2003, S. 1011–1018 [Link zum PDF].
Bildquellen
Illustrationen: Stefan Große Halbuer
Anatolian Shepherd Dog, Adult laying on Grass © Depositphotos.com/slowmotiongli